Univ.-Doz. Dr. Marianne Nürnberger
- Institut für Handschriftenuntersuchung
Qualifikation
Vergleichende Handschriftenanalyse
ist ein systematisiertes und auf empirischen Erkenntnissen über kulturrelative,
bildungsabhängige, sowie physiologische und psychologische Bedingungen der
Schreibausübung aufbauendes Verfahren. Voraussetzung für treffsichere
Ergebnisse ist ein möglichst umfassendes Wissen über diese Bedingungen
und beinhaltet auch das Vorhandensein von ausreichenden fallspezifischen Begleitinformationen
(Informationen zu Anknüpfungstatsachen).
Die Materialbeschaffung ist für jeden Fall gesondert telefonisch zu besprechen!
Um die Echtheit einer fraglichen Schrift (X)
beurteilen zu können, muss ein geeignetes Vergleichsmaterial (V) vorhanden sein, dessen
Urheberschaft außer Zweifel steht und zu dem auch fallweise die Entstehungsbedingungen
abgeklärt sein müssen. Oft ist deshalb über eine gezielte Schriftprobenabnahme
zusätzlich aufklärendes Material einzuheben.
Originale sind sowohl in Bezug auf das zu beurteilende Material als auch in
Bezug auf das zum Vergleich heranzuziehende Material wesentlich aussagekräftiger.
Jede kleinste Strich-Unebenheit oder Unregelmäßigkeit im Farbauftrag
kann dem Auge der Spezialistin Hinweise liefern. Moderne Techniken, wie Stereomikroskopie,
Elektronenstrahlmikroskopie, Z-Hub Mikroskopie zur dreidimensionalen Darstellung
sowie Farbuntersuchungen, z.B. mittels Lumineszenz- und Absorptionsanalysen,
ermöglichen es, aus Originalen eine Fülle von Informationen herauszuholen.
Zur Prüfung einer strittigen Unterschrift sind je nach Fall etwa 10 bis
30 Vergleichsunterschriften notwendig.
Oft ist für die graphologische Abklärung
eine Dokumentation der Entwicklung der Handschrift notwendig. Hierzu wird besonders umfangreiches Material benötigt. Zudem sind oft zusätzliche Angaben erforderlich,
so z.B.:
- Alter, körperliche und physische Leiden, besondere Umstände der Abfassung, soweit bekannt
- Vergleichsschriften: etwas längere Texte und möglichst viele Unterschriften, aus möglichst unterschiedlichen, bekannten (womöglich dokumentierten) Entstehungszeiträumen und Entstehungsbedingungen; wichtiges Material können deshalb zum Beispiel Unterschriften auf Spitalspapieren darstellen,
- Vergleichsangaben zur psychophysischen Verfassung des Schreibers, zeitlich
zuordenbar zum Vergleichsschriftmaterial, alle verfügbaren ärztlichen Atteste
- bei nicht-muttersprachlichen
Texten sind Angaben zum Land, in welchem die Grundschulbildung erfolgte (zum Zweck der Information
über das erlernte Schriftsystem), sowie zum Schriftsystem, in welchen
der Text verfasst wurde, beizufügen (v.a. wo und wie
lange)